Südindien – zum Zweiten….

Nach 2 Wochen im Bundesstaat Tamil Nadu – mit den eindrücklichen Tempelstädten und –anlagen ging’s dann weiter ins Hochland Keralas. Zur besseren Orientierung habe ich die gesamte Südindientour auf einer Karte eingezeichnet und hoffe, dass die Orte einigermassen auf dem Bild ersichtlich sind:


an der Grenze Tamil Nadu - Kerala
„Kollam kandal illam venda“ – wer nach Kerala kommt, wird seine Heimat schnell hinter sich lassen. Dieses  alte keralische Sprichwort lässt einem wirklich (fast) die alte Heimat vergessen – man hat den Eindruck, sich im Garten Edens zu befinden. In dieser üppig-tropischen Region weiten sich wundervoll grüne Reis- und Baumwollfelder aus, Tee-, Kaffee- und Kautschukplantagen  schmiegen sich über die Hügel des Hochlandes; es gedeihen  Bananen-, Mango-, Papaya-, Apfel- und Jackfruchtbäume, in den Gewürzplantagen spriessen Kardamom, Pfeffer, Zimt, Nelken, Vanille und überall wächst die Kokospalme, der „Lebensbaum“ Keralas. Allein 8 Mio. (von 30 Mio.) Keraliten verdienen ihren Lebensunterhalt in der Kokosverarbeitung. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig  ist die Fischindustrie und zunehmend auch der ganze Tourismus.

Kokospalme
Mangobaum

Nelken
Kardamom
Pfeffer


Gummibäume
Zimtbaum


Kaffee
Unser Reiseziel war Thekkady, ein kleiner Ort am Rande des Periyar Nationalparks. Dieser Park wurde 1977 auch dem „Projekt Tiger“ angegliedert; es sollen laut Führer noch 50 Exemplare da beheimatet sein. Auf unserer 3-stündigen Morgenwanderung sahen wir aber nur eine Elefantenkuh mit ihrem Jungen, zwei  Gaurs, eine Art Wildrind und zwei Hornbill-Vögel. Ich denke, dass sich die Tiere bei dieser Masse Touristen, die morgens um 7 Uhr durch den Urwald schleicht, zurückziehen und erst wieder in der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen auf Nahrungssuche gehen. Dafür genossen wir die verschiedenartigen Geräusche des Urwalds, das Pfeifen und Zwitschern der vielen Vögel, das Geschrei der Affen, die vielfältigsten Gerüche von modrig-feucht bis blumig-süss und die wärmenden Sonnenstrahlen, die im Laufe des Morgens durch das Urwaldgehölz drangen.

auf dem Weg nach Thekkady - grosser Waschtag

auf dem Weg nach Thekkady - Backsteinbrennerei












Periyar-Nationalpark
Nach zwei Tagen Hochland ging die Fahrt weiter Richtung Küste nach Alleppey, einem Ort zwischen dem Arabischen Meer und dem riesigen Vembanad-See. Der Ort wurde früher „Venedig des Ostens“ genannt, da diese Region von unzähligen Kanälen, den sogenannten „Backwaters“ durchzogen ist. Mittags wurde unser Hausboot gechartert, auf welchem wir dann auch die Nacht verbrachten. Nach einem üppigen Mittagessen, mit Köstlichkeiten aus der Küche Keralas, konnten wir bis zum Sonnenuntergang die idyllische und einzigartige Landschaft, die an uns vorbeizog, geniessen und einen Einblick in das Leben der Menschen am Wasser gewinnen. Die Häuser stehen oft nur auf einem schmalen Stück Land zwischen Reisfeldern und Kanal – es war für mich ein „Seele baumeln“ lassen in Reinform! Abends legten wir am Ufer eines kleinen Dorfes an und nach einem Rundgang an Land wurde uns abermals ein köstliches Abendessen serviert. Nach einer Woche Hausbootferien mit so viel Essen und süssem Nichtstun wäre ich wahrscheinlich 5 Kilo schwerer!

unser Hausboot

üppiges Mittagessen


Impressionen von den Backwaters....









abends an der Anlegestelle
SonnenAufgang
Am nächsten Morgen fuhren wir zurück nach Alleppey, wo uns unser Fahrer Panneer abholte und auf einer wunderschönen Fahrt durch Tee-, Kaffee- und Kautschukplantagen nach Fort Kochi brachte. Nachmittags besichtigten wir in Begleitung einer ortsansässigen Führerin diese quirlige Tourismushochburg – ich habe in den letzten 4 Monaten noch nie so viele Touristen auf einem Haufen gesehen! Der Geist der Portugiesen, Holländer und Briten weht immer noch durch die Strassen Kochis; Vasco da Gamma betrat um 1498 zum ersten Mal indischen Boden. Er wurde hier 1524 in der ältesten, von Europäern gebaute Kirche Indiens, der St. Francis-Kirche begraben, seine sterblichen Überreste wurden aber 14 Jahre später nach Lissabon zurückgebracht. Der Dutch-Palast wurde ursprünglich von den Portugiesen erbaut, als Friedensangebot an den Maharaja von Cochin, später aber ging er an die Holländer über. Heute dient er als Museum, wo wir in den privaten Gemächern des Rajas die wunderschönen Fresken im Kerala-Stil, die prächtigen Kleider des Maharajas und seiner Frau(en), die kunstvoll gearbeiteten Sänften und Möbel bewundern konnten. Vom Dutch-Palast aus besuchten wir das Judenviertel mit der im 18 Jh. erbauten Synagoge. Da viele Juden nach Israel ausgewandert sind, ist die jüdische Gemeinde heute bis auf eine kleine Anzahl Personen zusammengeschrumpft. Im Judenviertel  herrschte eine besondere Atmosphäre; es gibt viele schöne kleine Shops und Häuser, die die engen Strassen säumen, wenig Verkehr, viele Touristen und in der Luft hing der Duft von Zimt, Kardamom und Nelken. Das Viertel war früher sehr reich, da die Juden den Gewürzhandel Cochins kontrollierten – und Pfeffer wurde damals wie Gold gehandelt.

auf dem Weg nach Cochin - Teeplantagen
in den Strassen  Cochins

sie wollten unbedingt fotografiert werden :-)
in diesem 2x2 m Schönheitssalon liess ich eine Pédicure machen

Cricket spielende Kinder
es gibt viele Katholiken hier.... 



Martin versuchte sich als Inder, mit Doothi - die Frauen hatten ihre helle Freude an ihm
Die Aufführung eines  Kathakali – Schauspiels rundete den schönen und interessanten Tag ab. Diese eindrückliche und farbenfrohe Form von Tanz, Mime, Dialog über Mudras, wird von Männern getanzt und dargestellt. Zuvor konnte man den Tänzern bei ihrem aufwändigen Schminken von mehr als einer Stunde zuschauen. Da soll kein Mann mehr sagen, dass die Frauen so viel Zeit zum Schminken aufwenden.

 


Ein Wahrzeichen Kochis sind die riesigen Chinesischen Fischernetze, die bei Sonnenuntergang in besonders romantischem Licht erscheinen. Die Netze sind ein Überbleibsel der früheren Verbindungen zwischen China und Indien und sind heute nur noch zur Demonstration für die Touristen im Einsatz. Es war aber trotzdem schön und interessant, von den Fischern die Technik gezeigt zu bekommen.

das Netz wird runtergelassen.....


und nach ca. 10 Min. wieder hochgezogen....
und siehe da...
Romantisch, nicht wahr?
Nach zwei Tagen  Kochi und insgesamt drei Wochen Südindien, ist Martin wieder zurück in die Schweiz geflogen und ich blieb noch zwei weitere Tage in der Stadt. Ich musste mich wieder umgewöhnen, denn zu zweit zu reisen war schon sehr angenehm, man kann viele Eindrücke direkt miteinander teilen und frau muss nicht immer alleine alles regeln. Wenn ein Mann dabei ist, sprechen die Inder zuerst den Mann an, so konnte ich mich im „Windschatten“ von Martin etwas zurücklehnen. Und das war auch mal schön! ;-)


Von der Südwestküste fuhr ich am 16. Januar mit Panneer  wieder Richtung Landesinnere den Nilgri-Bergen zu. Mit der „Nilgri Blue Mountain Dampfeisenbahn“ (Schmalspur) fuhr ich zusammen mit vielen anderen Touristen auf das 2‘286 m hoch gelegene Udhagamandalam, auch unter dem einfacheren Namen Ooty bekannt.


da geht's stetig bergauf bis 2'200 m

mit mehreren Zwischenstopps.....
wunderschöne Landschaft

unser Kondukteur
Ooty war einst ein beliebtes Erholungsgebiet der britischen Kolonialbeamten; der schön angelegte Botanische Garten, die etwas verwahrloste Pferderennbahn, der Golfplatz und schöne Kolonialhotels (ich bin auch in einem davon untergebracht), Kirchen und Friedhöfe zeugen noch heute von den Engländern. Das Klima dort oben war deutlich kühler, es erinnerte mich etwas an einen Höhenkurort bei uns in der Schweiz. Ich musste meine indischen Pluderhosen und Sandalen ziemlich schnell gegen warme Kleidung und geschlossene Schuhe wechseln. Im Hotel war es sehr kalt und ich musste mich zum Schlafen in 3 Decken einwickeln, damit ich einigermassen warm hatte. Das Bett war so hart und unbequem, dass mir am nächsten Morgen alle Knochen wehtaten; so musste ich zwei Nächte etwas leiden :-(
Tagsüber wurde es aber bis 22 Grad warm und ich konnte die Aussicht vom höchsten Berg Nilgris, dem über 2‘600 m hohen Doddabetta geniessen. Anschliessend besuchte ich den schönen Botanischen Garten, den die Engländer um 1847 angelegt hatten, genoss die Sonne am Ootacamund-See und entdeckte auf meinem Stadtrundgang viele schöne Ecken Ootys.

Ausblick über Ooty

Gemüse im Terrassenanbau

die gelben Tuktuks sind praktische Stadtflizer


Pferderennbahn
ein Bewohner des Botanischen Gartens
In der Nähe des Hotels liegt das staatliche Frauenspital, die Maternité. Draussen warteten viele Männer und  Angehörige von den Frauen, die hier ihr Kind geboren haben. Durch eine Gittertüre wurden immer wieder einzelne Personen hineingelassen. Das Spital bietet nur die Grundpflege an, daher bringen die Angehörigen den Müttern Essen, waschen ihre Kleider und holen die benötigten Medikamente aus den umliegenden Apotheken. Ich fragte eine Krankenschwester, ob ich kurz einen Einblick in die Neugeborenen Abteilung haben dürfte und sie war darüber sehr erfreut, dass eine Touristin sich dafür interessiert. Wir gingen durch verwahrloste, armselige Räume, wo es penetrant nach Desinfektionsmittel roch und sie stellte mich der Abteilungsschwester vor, welche mir dann die Räume zeigte; eine Art Stillraum mit zwei schmuddeligen Pritschen, nur durch eine dünne Trennwand abgeschirmt, eine Frau war gerade am Stillen, dann ein anderer Raum wo 2 Frauen mit Angehörigen und ihren beiden 2 Tage alten Babys waren und die Frühgeborenenabteilung. Dieser Raum war erstaunlich gut und modern eingerichtet; 6 Winzlinge lagen da unter den Wärmelampen und zwei Schwestern gaben einem gerade Milch durch eine Sonde. Die moderne Ultraschallapparatur im Untersuchungszimmer war geradezu ein Fremdkörper in diesem trostlosen, heruntergekommenen Spital. Die Glastür zum „Operation Theater“ war zerbrochen und behelfsmässig zusammengeklebt!
Das ist 3. Welt pur! Die Sterblichkeit von Kindern bis 1 Jahre alt ist bis zu 50 % hoch. Trotz des stetigen Wirtschaftswachstums ist Indien laut Studie von Weltbank, WHO und UNICEF auch heute noch das Land mit den meisten unterernährten Menschen. Von den  230 Mio., die zu wenig  zu essen haben, ist der Grossteil Kinder!
Ein Führer meinte,  dass der Hauptgrund aller Probleme Indiens die masslose Korruption sei und da hat er wohl nicht so Unrecht.

Spital von aussen - da sieht's noch einigermassen anständig aus...
leere Infusionsflaschen neben dem Eingang!
was wird hier wohl getestet? inkl. "Gratis-Verhüeterlis"


Tja, nun bin ich schon fast im Endspurt meiner 5 1/2 monatigen Reise - in drei Wochen geht's wieder Richtung Heimat. Ich freue mich einerseits sehr, wiederum in meine vertraute Gegend zurückzukommen, meine Familie und Freunde wiederzusehen, wieder einmal selber zu kochen!, in meinem warmen, weichen Bett zu schlafen, nicht immer aus dem Rucksack zu leben und alle 2-3 Tage an einem anderen Ort zu sein - doch jetzt "geniesse" ich noch ein paar Tage Mysore und Bangalore, bevor ich am 29. Januar nach Goa fliege. Dort werde ich mich vor meiner Rückreise am 10. Februar nochmals mit einem Post melden.
So schicke ich herzliche Grüsse an alle und bis bald!