Letze Tag in Lhasa, Tibet


Seit neun Tagen bin ich nun in Lhasa. Etwas heimisch geworden, habe ich mich bereits an einiges gewöhnt, was für mich in den ersten Tagen ziemlich exotisch, ja sogar störend war: die vielen andersartigen z.T. penetranten Gerüche, wie beispielsweise die unzähligen Butterlämpchen und Räucherstäbchen in den Tempeln und Klöstern, bis mir fast schlecht wurde; die ständig hupenden Autos, die täglich 3-4 x die Hauptstrasse entlang fahrenden Kehrrichtabfuhrwagen, begleitet von einer plärrenden, sich immer repetierenden, chinesischen Musik; die Soldaten, welche zu viert in ihrem Glaskabäuschen in alle vier Richtungen mit unbeweglichen Gesichtern die Umgebung kontrollieren und der Fünfte, der draussen auf einem Podest steht mit schussbereitem Maschinengewehr; Sirenen, welche um die Mittagszeit eine halbe Stunde lang am Nerv ziehen; Wasser, welches nach Rost riecht und natürlich nicht trinkbar ist, die Dusche, die nicht zu regulieren ist etc.
Aber auch viele positive Eindrücke nehme ich aus Lhasa mit: das freundliche und aufmerksame tibetische Personal in den Restaurants, in denen ich regelmässig verkehre; Leute mit kleinen Kindern auf der Strasse, die mich grüssen und den Kleinen sagen, dass sie mir die Hand geben sollen; die verschiedenen Begegnungen mit Einheimischen auf dem Markt, wo wir uns mit „Händen und Füssen“ verständigen müssen, da viele Leute nur tibetisch und/oder chinesisch sprechen. Nachmittags geniesse ich einen feinen Cappuccino (Illy Kaffee!) im schönen Garten des Kyichu Restaurants, wo ich gerne zum Lesen und Schreiben verweile und andere Touristen treffe und abends probiere ich die vielen köstlichen Spezialitäten in den kleinen tibetischen Restaurants aus. 
Im Kyichu Garten
Heute Morgen beim Einkauf im Supermarkt half mir das freundliche Personal (zu dritt!) mein „Trockenfutter“ für die nächsten drei Wochen in den vielen Regalen ausfindig zu machen. Ab 23. September werde ich nur noch in ganz einfachen Guesthouses Unterkunft finden, wo es laut meinem Führer nur heisses Wasser gäbe. So musste ich mich mit Nudelsuppen, Getreideriegel, Trockenfrüchten, Nüssen, Fruchtsäften, Trockenmilch, Zucker und Instantkaffee eindecken.
Trockenfutter für 3 Wochen
Auf die Dusche muss ich wohl auch für einige Zeit verzichten, vielleicht reicht es mal für heisses Wasser aus der Thermoskanne und geschlafen wird in einfachen, spartanisch eingerichteten Mehrbettzimmern mit eigenem Plumpsklo, WC-Papier nicht inklusive  ;-). Da werde ich mich wahrscheinlich wieder nach der heiss/kalten, nach Rost riechenden Dusche in Lhasa sehnen.
Morgen werden wir zu dritt im Jeep Richtung Westen aufbrechen. In mehreren Etappen (8 Tage) werden wir bis Darchen (4560 m) fahren, welches der Ausgangspunkt ist für unser dreitägiges Trekking (52 km) um den Mt. Kailash, dem heiligsten Berg der Tibeter. Viele Tibeter bewältigen diese 52 km lange Kora (Umwandlungsweg) in 15-24 Stunden und als besonders verdienstvoll gilt es, die Kora durch sich Niederwerfen zu umrunden. Für diesen Weg, der immerhin bis auf den 5636 m hohen Drölma-Pass führt, benötigen diese Pilger 2-4 Wochen.
Pilgerin vor dem Jokhang, die sich niederwirft



















Auf der Rückfahrt Richtung Nepal (6./7. Oktober) werden wir von Lao Tingri aus (4340 m, Ausgangspunkt zum Mt. Everest Base Camp) zum höchstgelegenen Kloster der Welt, dem Kloster Rombuk auf 4980 m fahren. Von dort aus sind es nur noch 8 km bis zum Touristen Base Camp (5150) zu laufen. Wer zum echten „Advanced Base Camp“ der Bergsteiger (5760 m) laufen möchte, kann dies in einem 4-tägigen Trekking und gegen Bezahlung von USD 100 tun.
Aber auch vom Touristen Base Camp aus soll die Aussicht auf den Mt. Everest, wenn er nicht wolkenverhangen ist, atemberaubend und spektakulär sein! Ich kann es kaum erwarten, so freue ich mich drauf!
Auf dem Flug von Kathmandu nach Lhasa, Im Hintergrund 8000er, die über die Wolken hinaus schauen

Noch ein paar Bild-Impressionen der letzten Tage in Lhasa, wo ich den Potala (Winterpalast des Dalai Lama), Norbulinka (Sommerpalast), Drepung und Sera (zwei bedeutende Gelupa-Klöster) und den Jokhang besucht habe. Leider durfte man im Innern keine Fotos machen.  Für Interessierte hier noch ein Link (Englisch) mit weiteren Hintergrundinformationen und wo mit interaktiven Karten die Klöster besichtigt werden können.
Potola-Palast, gebaut 637, war von 1642 - 1959 ...

offizielle Residenz und Regierungssitz der Dalai Lamas



Norbulinka-Palast  („Juwelengarten“)
Norbulinka-Park


Jokhang, Heiligtum in der Altstadt von Lhasa, erbaut 642 - 653
Jokhang ist einer der wichtigsten Tempel der Tibeter 
Dächer des Jokhang Tempels

Kloster Drepung, ca. 10 km von Lhasa entfernt

Kloster Sera ('Wildrose') erbaut zw. 1354–1435
Debattierende Mönche





Tromzikhang Markt im Barkhor Viertel

Verkaufsstand von Jakfleisch
Modern trifft auf Traditionell

Mein Guide und ich


Lhasa 9.-19. September


Soldaten im Hintergrund
Soldaten im Hintergrund
Nichts desto trotz – ich halte mich nun seit ein paar Tagen in Lhasa auf und
versuche, nebst mich an die dünne Luft zu gewöhnen, die vielen zwiespältigen
Eindrücke zu verarbeiten. 
Im Gegensatz zu Kathmandu herrscht hier Ordnung und Sauberkeit in den
Strassen. Der Verkehr verläuft geregelt, abgesehen mal vom ständigen Hupen. Es herrscht geschäftiges Treiben in den Gassen, überall wird Ware ver - und gekauft, gehandelt, miteinander geschwatzt, gegessen, gelacht und gespuckt! –  aber auch da in einer geordneten Art und Weise. Ob die ständige Präsenz des chinesischen Militärs diesen trügerischen „Frieden“ ausmacht?



Typischer Laden wo das einfache Volk einkauft
Als allein reisende Frau machte ich bisher, abgesehen von ein paar
aufdringlichen „Pseudoführern“ und Bettlern in Kathmandu, keine schlechten
Erfahrungen. In Lhasa habe ich, ausser den Bettelmönchen, nicht viele andere
Bettler und bettelnde Kinder gesehen. Die Händler auf den Märkten und in den
Läden sind auch nicht aufdringlich, sondern sehr freundlich und
zuvorkommend, sogar wenn man nichts bei ihnen kauft.


Lhasa , die „Stadt der Götter“, liegt 3658 m über Meer am Kyi Chu (Glücksfluss!) und ist seit jeher religiöses, politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Tibets. Das Hotel, in dem ich untergebracht bin, liegt  in der Altstadt Lhasas: 



Nur zehn Minuten entfernt liegt der Bakor, wo sich die Tempelanlage  Jokhang befindet. Der Jokhang ist das wichtigste Pilgerziel Tibets, Nationalheiligtum und  Zentrum des tibetischen Buddhismus. Um den Jokhang geht der  800 Meter  lange, heilige Umwandlungsweg (Kora). Strenggläubige Pilger gehen diesen nicht zu Fuss, sondern werfen sich der Körperlänge nach, geschützt durch Leder an Brust, Bauch und Knien auf den Boden und umrundenden Barkor auf diese Weise. Wie ich schon eingangs erwähnt habe ist, angesichts der Touristenströme und dem Jahrmarktbetrieb“ rundherum in den Seitenstrassen, von der Spiritualität des Jokhang nicht mehr viel zu spüren.













Ein weiteres Highlight ist der Potala-Palast, welcher der Winterpalast des
Dalai Lama mit seinem Gefolge von 500 Lamas war. Er erhebt sich von überall
her sichtbar auf dem Roten Berg (Marpori) und ist sozusagen das Wahrzeichen
von Lhasa. Die Teile des Palasts, die weiss getüncht sind, dienten als
Verwaltungsräume und Lager. Der über dem Weissen Palast aufgesetzte
13-stöckige Rote Palast im Zentrum hatte eine religiöse Funktion und
beherbergte die Wohnräume des Dalai Lama, Versammlungshallen und zahllose
Lhakhang (Kapellen).




Ich werde diese beiden Paläste übermorgen mit meinem tibetischen Führer von innen anschauen gehen. 



Impressionen rund um den Potala
Gestern habe ich zum ersten Mal Yakfleisch gegessen. Es schmeckt ähnlich wie
unser Rindfleisch und hat auch die gleiche Konsistenz. Dazu ein
einheimisches Bier (vom Dach der Welt) und die Dose daneben ist Sprite (in
chinesischer Schrift). Schmeckte nicht übel! In Tibet ist es übrigens
ziemlich schwierig sich rein vegetarisch zu ernähren. Die tibetische Nahrung
basiert traditionell auf Yak- und Lammfleisch. 
Das Yak  dient den Tibetern als Grundlage des Lebens. Es dient als Zug- und
Tragtier, Woll- und Fleischlieferant, die Knochen werden zu Gebetsketten
verarbeitet und der getrocknete Dung wird als Brennstoff genutzt. 
Die Yak-Kühe sind Kreuzungen von Yak und Kuh und heissen Dri. Sie werden
gemolken und aus der Milch wird frischer Joghurt (schmeckt wunderbar) und
getrockneter Käse (schmeckt scheusslich)aus Buttermilch hergestellt. Und
natürlich die Yak-Butter: Sie ist eine Art Universalmittel für Küche und
Tempel. Kein tibetisches Gericht kommt ohne diese Butter aus und in den
Tempeln dient sie als Brennstoff für die unzähligen Butterlampen.





Da ich hier keinen Zugriff auf den Link meines Blogs,  Facebook und noch
weitere "subversive" Seiten habe (wahrscheinlich zensuriert), muss ich den
Text mit den Bildern per E-Mail in die Schweiz schicken. 

Untenstehend noch ein paar interessante Links zu den massiven Problemen
zwischen Tibet und China:

http://tibetnews.de/    
http://www.tibetinfonet.net/
http://www.tibetsun.com/
http://www.phayul.com/

Reisen nach Tibet – eine Gradwanderung

Die Gefahren….
Aus  Sicht der  chinesischen Machthaber ist der Tourismus nicht nur als
Devisenquelle attraktiv. Er kann auch dazu beitragen, die Assimilierung der
tibetischen Kultur voranzutreiben. In den grösseren Städten sind die
typischen Kennzeichen des Massentourismus bereits erkennbar. Die heiligen
Ritualwege (Koras) werden zu Jahrmärkten degradiert, auf denen Händler ihre
Geschäfte mit den Touristen machen. Aus Bauern werden Souvenirverkäufer, aus
Hirten Hotelboys, Landarbeiterinnen arbeiten als Zimmermädchen oder
schlimmer noch als Prostituierte.  Folgen des Tourismus sind auch
Umweltzerstörungen und Energieknappheit. Bergtouristen benötigen das knappe
Feuerholz, welches dann nicht mehr den Einheimischen zur Verfügung steht.

…und die Chancen
Reisen nach Tibet, auch Schneeland genannt, ist einerseits eine Erweiterung
des eigenen Horizonts, andererseits können die Besucher Augenzeugen der
Unterdrückung werden und vielleicht dazu beitragen, Verbrechen öffentlich zu
machen oder sie gar zu verhindern. Das Interesse  der Besucher an der
tibetischen Kultur bestärkt die Tibeter an ihr festzuhalten, während die
chinesische Propaganda diese Kultur meistens als veraltet und rückständig
bezeichnet. Durch den Besuch erweisen die Fremden Achtung und Respekt vor
der tibetischen Kultur. Dies ist ein wichtiger Beitrag für den inneren
Widerstand gegen die chinesische Assimilierung.

In Tibet leben ca. 2.7 Mio. Einwohner, davon sind 93 % Tibeter, 6 % Han
Chinesen und 1 % Minderheiten. Der tatsächliche Anteil an Chinesen
(Soldaten) ist unbekannt.
In Lhasa sind sie allgegenwärtig, jeweils in Gruppen von 5-7 jungen Soldaten
stehen sie an diversen strategischen Orten, wie Sehenswürdigkeiten, Märkten
und Tempelanlagen, mit versteinerter Miene und dem Sturmgewehr im Anschlag.
In der Stadt lebt ca. 20% der Bevölkerung, ca. 90% der Landbevölkerung sind
Analphabeten, die Lebenserwartung liegt bei 65 Jahren.

Kathmandu 5. - 8. September 2011

5. September

Nach einer intensiven Reise und etwas unruhigen Nacht, sitze ich nun im lauschigen Garten des Gästehauses unter tropischen Bäumen und Büschen von der Sonne geschützt, erhole mich von den Reisestrapazen und beginne mich langsam in den nepalesischen Ambiente einzulassen.

„Das Leben ist entweder ein Abenteuer, in das man vertraut und sich einlässt oder ist nichts“

Ich lasse meinen gestrigen Tag, respektive meine Ankunft in Kathmandu Revue passieren: Rundherum auf den Strassen herrschte wildes Chaos und hektisches Treiben der hupenden und stinkenden Motorräder, Autos und Busse, welche wahllos durcheinander fuhren oder im Stau stecken blieben und dazwischen drängten sich Fussgänger und Velofahrer, welche die Strasse kreuzten – als mich mein Fahrer vom Flughafen abholte und mich quer durch die Stadt (ca. 700‘000 Einw.) in die Agentur brachte, musste ich manchmal meine Augen schliessen, auf die Fahrtüchtigkeit meines Fahrers vertrauen und hoffen, dass wir heil durch die „Rush hour“ Kathmandus kommen.
Trotz der äusseren Hektik, dem Hupen der Fahrzeuge, dem Staub, Dreck und Gestank in den Strassen, den schreienden Kindern vor den armseligen Hütten, den zahlreichen bellenden Hunden, die man die ganze Nacht hindurch hört – war eine innere Ruhe und Gelassenheit spürbar, welche mich sehr beeindruckte!

Das kleine Hotel liegt glücklicherweise etwas abseits des Zentrums im Nordosten Kathmandus. Eine kleine Oase – die einem das „Ankommen“ erleichtert und wo sich gute Rückzugsmöglichkeit nach einer anstrengenden Stadtrundfahrt bietet.

Blick von meinen beiden Zimmerfensten aus:





6. September

Ein paar Informationen zu Nepal:
Nepal ist das einzige Hindukönigreich auf der Welt. Die einen betrachten es als ein märchenhaftes, geheimnisvolles* Königreich auf dem Dach der Welt – andere bezeichnen es lediglich als Armenhaus.
Nepal gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, mit dem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen könnte ein Nepali gerade mal eine Tageszeitung abonnieren. Das Bevölkerungswachstum ist hoch, die Lebenserwartung liegt bei 59 Jahren, 2/3 der Frauen und 1/3 der Männer sind Analphabeten, 80 % der Erwerbstätigen sind in der Landwirtschaft tätig.

* bis 1951 war Nepal ein verbotenes Land und noch heute sind grosse Landstriche an der Grenze zu Tibet Sperrgebiete

Es braucht also Zeit, ein Gefühl für Land und Leute zu bekommen; offene Sinne, um die Schönheit des Himalayastaates wahrzunehmen und die Bereitschaft, Unbekanntes und Fremdes nicht mit unseren westlichen Massstäben zu bewerten.
Ich denke, diese Grundsätze werden auch für Tibet gelten. Übermorgen, am 9. September, fliege ich bereits weiter nach Lhasa und werde dann einen Monat später nach Nepal zurückkommen und mich hier für weitere 6 Wochen aufhalten.

7. September

Im Nordosten von Kathmandu liegt der große Stupa von Bodnath, er wird oft auch Bauddha oder Bouddhanath genannt. Dieser jahrhundertalte Stupa war schon lange einer der Hauptpilgerorte im Kathmandutal und auch heute kommen noch Pilger von ganz Nepal und selbst Tibet hierher. Auch für Touristen ist dieser heilige Ort sicher einer der zauberhaftesten Orte im Kathmandutal. Jedes Jahr zum tibetischen Neujahrsfest Losar wird die Stupa mit neuem Kalk geweißt.



Die Stupa von Bodnath ist nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Auf drei Terrassen in Mandalaform erhebt sich die 15 m hohe große Kuppel. Mit dem Sockel hat man so 4 Ebenen, welche die Erde symbolisieren, die Kuppel symbolisiert das Wasser. Darüber erhebt sich der gemauerte Turm ( Feuer) mit der Krone (Luft).
Die allwissenden Augen blicken in alle vier Himmelsrichtungen, das dritte Auge ist vom Stoffvolant verdeckt.

Habe heute im Innern des Tempels den Gebeten und Sprechgesängen der Mönche beigewohnt und dort eine Stunde meditiert. Die Mönche bewegen sich während der Meditation im Schneidersitz schaukelnd hin und her. Die Gebete werden immer wieder durch versch. Rituale und durch Einsatz von einer tibetischen Doppelfelltrommel, Blasinstrumenten, Stielhandglocken und einem grossen gebuckelten Becken unterbrochen.

Nun sitze ich hier im "Saturday Café" und schreibe meine ersten Impressionen nieder und esse dazu eine tibetische Suppe, bestehend aus Gemüse und vegetarischen Momos - mmh, lecker!

Das nächste Mal werde ich wohl aus Lhasa berichten, dort werde ich hoffentlich wieder ein Internet-Café antreffen.
Bis dahin wünsche ich allen eine gute Zeit und Namasté!