„Last Resort“ – eine grüne, paradiesische Oase nahe dem Grenzort Kodari

9. bis 12. Oktober 2011

Nach einem reibungslosen Grenzübergang über die sogenannte „Freundschaftsbrücke“ von Tibet (Zhangmu) nach Nepal (Kodari), werde ich von einem nepalesischen Führer und Fahrer in Kodari empfangen. Da ich bereits ein Visum für Nepal habe, geht’s auch hier flott voran, so dass ich nach einer stündigen, abenteuerlich holprigen Fahrt (bin ja wieder in Nepal!) hier im „Last Resort“ eintreffe.

Welch‘ ein Wechsel!! Vier Stunden zuvor, sass ich noch, dick eingepackt in Thermounterwäsche und Fleecejacke in meinem eiskalten Zimmer des Guesthouses in Nyalam (3750 m), rundherum hohe, z.T. schneebedeckte Berge. Nun sitze ich hier im T-Shirt und halblangen Hosen in Sandalen vor meinem Zelt und geniesse das tropisch-warme Ambiente auf ca. 1'500 m.

Die Zikaden haben zu einem Dauerkonzert angesetzt; tropische, farbige Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken und andere interessante Insekten, kreuchen und fleuchen in der tropischen Vegetation umher. Neben meinem Zelt plätschert ein Bach, im Hintergrund höre ich Musik von der Lobby/Bar, rundherum wird in verschiedenen Sprachen gesprochen – so viele europäische und amerikanische junge Touristen habe ich den ganzen letzten Monat nicht gesehen.
Ich werde hier drei Tage die „Seele baumeln“ lassen, meine „Batterien“ wieder aufladen, das schmackhafte  Essen, die Wärme und Sonne geniessen. Ich habe Zeit, die letzten drei Wochen Revue passieren zu lassen, meine Gedanken aufzuschreiben (für den Blog), meine Fotos mit Beschriftung auf meinem Laptop zu speichern und mehr oder weniger lange Spaziergänge durch diese wunderschöne Landschaft zu machen.

Das Last Resort ist nur über eine Hängebrücke erreichbar
 
Eingangsbereich      
mein Zelt


.... diese beiden Bilder sind für meine Kids, wenn ich 25 Jahre jünger wäre, dann....



nun bin ich bereit für die nächsten 5 Wochen in Nepal

Jomolungmar (tibet.), Sagarmatha (nepal.), Mutter des Universums oder einfach: „Mount Everest“!

6. und 7. Oktober 2011

Ich verbringe bereits die letzten drei Tage hier in Tibet und bin nun in Old Tingri (4‘340 m) eingetroffen, von wo aus ich einen wunderbaren Ausblick auf den Mt. Everest im Süden habe. Bereits auf der Hinfahrt ca. 20 Kilometer vor Tingri hatte ich die erste visuelle Begegnung mit dem höchsten Berg der Welt – ich war vom Anblick des Riesen einfach überwältigt, ja ergriffen – endlich sehe ich ihn „in Natura“ – majestätisch und stolz erhebt er sich über alle ringsum liegenden Achtausender, wie den Lhotse, Cho Oyo, die Shisha Pagma und den Makalu.

Das „Everest Snowleopard Hotel“, in dem ich für zwei Nächte untergebracht bin, ist zwar ein einfaches Hotel, aber im Vergleich zu den Guesthouses der letzten 14 Tage, ein Luxushotel! Es hat hier fliessendes kaltes, ab 20 Uhr sogar warmes Wasser, eine richtige WC-Schüssel! und ein einigermassen sauberes Bett; obwohl ich auch hier mein Seideninlet benützen muss.
Nun muss ich doch noch etwas jammern: Gestern hatte ich ein ziemliches Tief; ich hatte genug von den schmuddeligen, ja dreckigen Betten in den kalten, trostlosen Mehrbettzimmern der einfachen Guesthouses, natürlich ohne fliessendes Wasser, dafür stinkenden WC-Löchern, wo’s einem richtig untendurch zieht und man auf einen Sch…haufen sieht. Auch das ewig langweile Essen (Nudelsuppe oder Fried Egg Rice, wenn’s hochkam mit etwas Gemüse drin) konnte ich langsam nicht mehr ausstehen. Nun geniesse ich die beiden Tage hier in Tingri (mit warmer Dusche und einer ansprechenden Menükarte im Restaurant) und übermorgen werde ich das letzte Guesthouse in Nyalam auch noch überstehen! Danach geht es via Zhangmu (Grenzort Tibet) zu Fuss über eine Brücke nach Kodari/Nepal.

Am 7. Oktober morgens um 8 Uhr, fahren wir über eine 100 km lange holprige Bergstrasse zum Base Camp der Touristen auf 5150 m. Auf halber Strecke in einer Steigung, will der Fahrer den 4-Rad-Antrieb dazu schalten und da geht der Hinterradantrieb in Brüche. Zum Glück bekommen wir Hilfe von einer anderen Gruppe, die in der Nähe campiert. Dawa und ich werden im Pickup bis ins Base Camp mitgenommen, während unser Fahrer versucht, den Wagen zu reparieren.

auf der Fahrt ins Base Camp - Ernte von Hochlandgerste

unsere Panne...

.....und unsere "Retter"

Nun stehe ich also da „auf dem Dach der Welt“, nur noch 3700 m fehlen bis zum „Giebel“ – auch dieser Moment, ein unvergesslicher Augenblick! Das Touristen Base Camp besteht zwar nur aus lauter Zelten, wo man sich verpflegen und übernachten kann, aus einer Reihe Tischen, wo Schmuck und Souvenirs verkauft werden und einem grossen Platz, wo all‘ die Jeeps und Busse parkieren, mit denen die Touristen da hinauf gefahren sind – also nichts Sehenswertes.


Vom Base Camp aus läuft man in einer halben Stunde zurück zum Kloster Rombuk, dem höchst gelegenen aktiven Kloster (mit Mönchen und Nonnen der Nyngmapa) der Welt auf 4980 m. Da ich noch nicht weiss, wie wir zurück nach Tingri kommen, nutze ich die Zeit mir das Kloster von der Nähe anzusehen, während Dawa im Base Camp bleibt und die diversen Möglichkeiten der Rückfahrt auslotet (es geht auch hier natürlich ums Geld der Fahrer)

Butterlämpchen in der Meditationshalle

Sanskrittexte am Platz eines Mönchs

Meditationshalle

"Klosterschaf" beim Eingang


Stupa beim Kloster, im Hintergrund der Mt. Everest

Schlussendlich kommt uns gegen 17 Uhr unser Fahrer holen, er hat das Auto behelfsmässig repariert. Es scheppert und tönt zwar fürchterlich und mir ist etwas bange die 100 Kilometer auf dieser schwierigen Bergpiste mit steil abfallenden, ungesicherten Strassen, wenn man diese so nennen kann, zurück zu fahren. Ich ergebe mich auch hier dem Schicksal und hoffe, dass wir heil nach Tingri kommen. Gegen 20 Uhr treffen wir wohlbehalten in Tingri ein. Nach einem schmackhaften Abendessen und einer warmen Dusche, schlafe ich selig ein, wie ein Engel im Himalaya….:-)
Morgen geht’s dann (in langsamem Tempo) Richtung Grenze nach Nyalam weiter, wo der Fahrer versuchen wird, den defekten Teil des Antriebes zu ersetzen.

Das alte Guge-Königreich/Tsaparang in Tsada 2. und 3. Oktober 2011

Nach einem 2-tägigen Aufenthalt in Chiu Gompa (ca. 33 Kilometer südwestlich von Darchen) am Manasarovarsee, fuhren wir weiter Richtung Westen nach Tsada, einer Ortschaft mit typischen chinesischen Plattenbauten und Stützpunkt der chinesischen Armee.

Blick von Chiu Gompa auf den Manasarovarsee
 

im Vordergrund das Guesthouse, im Hintergrund Chiu Gompa

Die Lage von Tsada ist einzigartig, die Stadt wird umrahmt von einer Art Canyon, in welchen der Sutlej-Fluss bizarre Formen in den weichen Sandstein eingegraben hat. Hier besuchen wir das Kloster Tholing, die älteste erhaltene Anlage und die Hauptstadt des alten Königreichs Guge, welche ca. 20 Kilometer ausserhalb Tsadas liegt. Der Anblick dieser majestätisch wirkenden Ruinen, umgeben von einer eindrücklichen kargen Mondlandschaft, macht die lange, mühselige Fahrt durch wüstenähnliches, aber faszinierendes Bergland bis nach Tsada wieder wett.

auf der Fahrt von Chiu Gompa nach Tsada

Blick auf den indischen Himalya
Blick auf den nepalesischen Himalaya


Tsada



Eingang zum Kloster Tholing

Stupa mit Gebetsmühlen



Kultgegenstände rund um die Kora der Stupa "Om mani padme hum"


Auf einem 300 m hohen Hügel, erhebt sich eines der grossen Kulturzeugnisse Tibets. Entstanden im 10. Jh. konnte sich mit Guge eine regionale Macht in Westtibet etablieren. Es folgt eine lange Geschichte verschiedener Machtwechsel als Folge vieler Kriege und Morde. Dies hier im Detail zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen. Im 17. Jh. sorgte das Wirken des Jesuitenpaters Antonio de Andrade für den Untergang des Königreichs Guge.

Hier ein paar Zahlen zu Guge:
Die Ruinen Tsaparangs erstrecken sich auf einer Fläche von 720‘000m2 und bestehen aus  445 Häusern, 879 Höhlen, 58 Festungen, 4 geheimen unterirdischen Gängen, 5 Tempeln und 28 Stupas. Der jeweilige König residierte in einem Sommer- und einem Winterpalast.

der weisse und rote Tempel im Vordergrund, zuoberst der Sommerpalast


Höhlen des Tsaparang

roter Tempel


eine verbliebene Kammerzofe der Königin ;-)


Sommerpalast

Winterpalast mit den unterirdischen Gängen und Zimmern


Blick aus einem "Zimmer" des Winterpalasts


Die Kailash-Kora 28. und 29. September



Ich sitze hier am Manasarovarsee (einem weiteren heiligen See Tibets) und blicke auf die letzten beiden Tage zurück.



Die 52 km lange Kora, die Umrundung oder der Umwandlungsweg um den heiligsten Berg Tibets war auch für mich als „Nicht-Gläubige“ (Anhänger des Buddhismus, Hinduismus, Janismus, Bön-Religion) ein eindrückliches Erlebnis, welches mir sicherlich noch mein restliches Leben lang in Erinnerung bleibt. Am ersten Tag starteten wir in Darchen, der 21 kilometerlange Aufstieg bis zum Drira Phung Gompa auf 4981 m (Gompa heisst Kloster) war relativ einfach zu bewältigen. Nach ca. 6 Stunden reiner Gehzeit kamen wir im Guesthouse an, wo wir uns verpflegten und die Nacht verbrachten.

Aufbruch am Morgen in Darchen....
Führer und Träger beim Aufstieg

Mt. Kailash Westansicht

beim 2. Niederwerfungspunkt
 

beim Guesthouse Drira Phug Gompa 4981 m

mein Schlafzimmer

Restaurant
Am 2. Tag kam ich dann etwas an meine körperlichen Grenzen; der stetige, kräfteraubende Aufstieg auf den Drölma-Pass (Pass der Tara auf 5636 m) ging mir ziemlich ans Herz. Ich versuchte jeden Schritt ganz bewusst zu tun, auf meinen Körper zu hören und wenn das Herz raste, legte ich eine kurze Pause ein. Es ist unglaublich, wie einem die Höhe zusetzen kann! Ich musste immer wieder an die Menschen denken, die den Everest ohne Sauerstoff erklommen haben – eine Wahnsinnsleistung!!
„Die Grenze ist der eigentliche Ort der Erkenntnis“
Aufstieg zum Drölma-Pass morgens um 8 Uhr
 

die Luft ist sehr dünn, das Herz rast.....
das Ziel naht.....


Geschafft, aber überglücklich!

Ausbreiten der Fahnen

Nachdem wir uns eine Weile auf dem Pass erholt und das Gefühl genossen hatten: „Wir haben’s geschafft, wir stehen oben!“ kam der steile, lange Abstieg bis zu den Zelten, wo wir die wohlverdiente Mittagsmahlzeit (die übliche Nudelsuppe) einnahmen.
 

Abstieg

Bis zum nächsten Guesthouse beim Kloster Dzutrul Phug (4790 m) rechnet man eigentlich vier Stunden. Wir (Träger, Führer und ich) waren aber so fit, dass wir bereits nach zwei Stunden dort eintrafen und so beschlossen wir, nach einer Trinkpause, den restlichen Weg nach Darchen weiterzugehen. Schliesslich trafen wir um 18 Uhr in Darchen ein und ich freute mich schon riesig auf ein gutes Abendessen im Pectopath (tibetisches Restaurant) und auf die wohlverdiente Dusche. Seit diesem Tag habe ich den Übernamen „The strong swiss woman“ ;-))

Yakherde auf den letzten 11 Kilometern



Darchen, eine warme Dusche und ein anständiges Essen in Sicht!