Kulturschock Indien oder eben: „Andere Länder - Andere Sitten“

Am 21. November morgens um 7 Uhr begann mein Abenteuer Indien.
Javi (sprich: Tschawi), mein Fahrer für die nächsten 3 Tage, holte mich pünktlich ab und wir starteten die abenteuerliche Fahrt von Lumbini nach Varanasi. Beim Grenzübergang Sonauli (um 8 Uhr) ging es ganz zügig voran; bei den Nepalesen sowieso, da brauchte es lediglich einen Ausgangsstempel in den Pass und anschliessend ging ich zu Fuss ein paar Schritte weiter zu den Indern. 
Vom ersten Meter an, da ich indischen Boden betrat, spürte ich eine andere Energie und eine gesteigerte Hektik. Ich wurde gleich von allen Seiten her bestürmt von Taxifahrern, Verkäufern, „Möchtegernführern“, Rikschafahrern etc., fast wäre ich dabei noch über eine tote Hündin, die auf der Strasse lag, gestolpert. Bin ich darob erschrocken! Dazu kam noch dieser Müll überall, da war es in Nepal fast „sauber“! 

Welcome to India!

Nachdem ich die Einreiseformalitäten erledigt hatte, fuhr mich Javi sicher durch den chaotischen Verkehr – auch hier wurden, im Vergleich zu Nepal, noch 2 „Gänge“ zugeschaltet. Ich fühlte mich zwischendurch wie im Film „The Fast and the  Furious“ – unglaublich, wenn man den Verkehr von Indien noch nie hautnah erlebt hat! Besonders wenn es auf die grösseren Ortschaften zuging, verengte sich die Strasse und da wollten 4 Autos, Motorräder oder Busse gleichzeitig nebeneinander durch dieses Nadelöhr. Jeder fuhr einfach drauflos, mit ständigem Hupen, als ob dies die Strasse verbreitern würde! Plötzlich ging es nicht mehr weiter und es wurde weiter gehupt, als ob sich damit der vordere Wagen in Luft auflösen würde! Auf einmal löste sich dann das ganze Chaos wieder auf und das Rennen begann von vorne. Überhaupt – mit einem Auto ohne Hupe, würde man hier keine Stunde auf der Strasse überleben. Hupen ist hier eine Art Kommunikation – da fahren z. B. zwei Autos auf einer schmalen Strasse aufeinander zu, man hupt, gibt Lichtzeichen und im letzten Moment bremst der eine ab, so dass die beiden knapp aneinander vorbeikommen, es ging manchmal um Zentimeter! Ich habe auf dieser Fahrt eine richtige Studie über das Verkehrsverhalten der Inder gemacht und könnte Seiten füllen. :-) Nun, ich gab mein Leben vertrauensvoll  in die Hände meines erfahrenen Fahrers (es blieb mir ja nichts anderes übrig), obwohl mir zwischendurch bei gewissen Manövern fast das Herz stehen blieb.
Rush hour in Varanasi
Nach 10 Stunden Fahrt trafen wir wohlbehalten in Varanasi ein. Da waren gleich einige Hochzeiten im Gange, anscheinend sei es eine sehr günstige Zeit zum Heiraten (laut Horrorskop ;-)). Es gab beinahe einen Verkehrskollaps und ich erlebte den zweiten (oder ich weiss nicht mehr den wievielten) Schock. In dieses Gewühl von Autos, Bussen, Motor- und Fahrrädern mischten sich jetzt auch noch unzählige Menschen, Kühe und Hunde darunter –  ich dachte schon, dass wir das Hotel nicht vor 21 Uhr erreichen würden. Schlussendlich trafen wir um 19 Uhr im Hotel ein – ich war auf der einen Seite fix und fertig, auf der anderen total aufgedreht, wahrscheinlich hatte ich zu viel Adrenalin im Blut.
So nahm ich erst mal nach dem Zimmerbezug eine Dusche und genoss ein kleines Abendessen  – zum Glück waren nur ganz wenige Leute im Speisesaal, so dass ich meine Gedanken und Gefühle etwas sammeln konnte.
 
Meine Vorsätze für die nächsten Wochen hier in Indien: Ich möchte mich in diese fremde Kultur hineindenken/-fühlen,  meine eigenen Wertvorstellungen und mein westliches Denken vorläufig in den Hintergrund schieben und in diese brodelnde, farbig-schillernde, faszinierende und kontrastreiche „Indien-Suppe“ hinein tauchen. Varanasi ist genau der richtige Ort dafür; ich wurde schonungslos hineingeworfen und ich konnte gleich meine Vorsätze in die Tat umsetzen.

Varanasi oder Benares mit ca. 6 Mio. Einwohnern ist eine der ältesten, ununterbrochen bewohnten Städte der Welt und liegt am Ufer des berühmten Ganges. Die Stadt liegt zwischen den beiden Flüssen Varuna und Asi, welche beide in den Ganges fliessen. Daher auch der ursprüngliche Name Varanasi, während der  Name Benares noch von der  Zeit her rührt, als die Engländer das Land regierten.  Seit Jahrhunderten kommen massenweise Pilger hierher, um sich im heiligen Wasser des Ganges von den Sünden reinzuwaschen und Erlösung von ihren Leiden zu finden oder Trost zu suchen.








Mehr als 100 Ghats (Treppen am Flussufer) liegen entlang der 4 km langen Gangesbiegung zwischen Varuna und Asi.  Beim bekannten Dasaswamedh Gath werden seit 25 Jahren jeden Abend ab 18.30 Uhr spektakuläre Pujas (Zeremonien) gezeigt. Sieben Priester verehren  eine Stunde lang zu Musik, Gesang und Glockengebimmel, mit  Rauch, Feuer und viel theatralischem Können - die „Mutter“ Ganges (wie mir der Führer erklärte).


in der Altstadt

Am nächsten frühen Morgen fuhren wir zu einem der Ghats, wo wir ein Boot mieteten und während des Sonnenaufgangs ruderten wir im weichen, diffusen Licht entlang des Ufers. Obwohl ganz viele Ruderboote unterwegs waren, herrschte andächtige Ruhe, man hörte nur das Platschen der Ruder. Ich beobachtete die vielen Menschen: die einen tauchten ins Wasser, andere seiften sich am Ufer von Kopf bis Fuss ein, einige meditierten auf den Stufen der Ghats, ein paar Fleissige waren schon am Wäsche waschen, während beim einen Vebrennungsghat (es gibt deren zwei) ein Mann die restliche Asche ins Wasser wischte. So sind Leben und Tod ganz nah beieinander – der Kreislauf des Lebens beginnt und schliesst sich am Ufer des Ganges.



die letzte Asche wird ins Wasser gewischt

Waschtag


Varanasi ist nicht nur ein Pilgerort für Hindus, sondern auch für Buddhisten. 17 km ausserhalb von Varanasi liegt Sarnath, wo Buddha nach seiner Erleuchtung hinging und dort seine erste Predigt hielt. 

Kühe sind wahrlich meditativ veranlagt!
Ich  stelle gerade fest, dass ich mich hier nur wirklich auf die persönlichen „Highlights“ beschränken und darüber berichten kann. Bei der Fülle, die ich hier sehe und erlebe, würde der Blog viel zu lang. Wenn du aber mehr wissen möchtest, dann schreib mir doch eine Mail.

Nach drei Tagen in Varanasi war ich froh, ins Flugzeug zu steigen, welches mich mit ganz vielen anderen Touristen ins ländliche Khajuraho brachte.
Khajuraho  ist ein beschauliches 20‘000-Seelen Dorf, wunderschön gelegen und von Wald, Wiesen und Hügeln umgeben. Mein Hotel befand sich etwas ausserhalb des Ortes, ruhig gelegen, mit schönem Garten und grossem Pool. Allerdings wagte ich nicht dort ein Bad zu nehmen, da das Hotel zu diesem Zeitpunkt voll von Indern war und diese sich am Pool aufhielten. So beschränkte ich mich auf wenigstens ein Shirt ohne Ärmel und ¾ Hosen, aber auch da hatte ich fast ein schlechtes Gewissen.  

In Khajuraho befinden sich die berühmten Tempel, welche zwischen 950 und 1050 n.Chr. durch  den Begründer der Rajputendynastie der Chandela, Chandravarman erbaut worden sind. Von den ehemals 85 Tempeln, sind heute nur noch deren 25 erhalten und diese sind inzwischen als UNESCO-Weltkulturerbe eingestuft worden. Die Tempel sind vor allem wegen ihren zahlreichen erotischen Figuren, die in Sandstein gehauen sind, berühmt geworden. Viele Skulpturengruppen zeigen freizügig fantasiereiche, z.T. akrobatisch anmutende Stellungen der sexuellen Vereinigung. Fruchtbarkeit und Sexualität ist im Hinduismus (eigentlich) ein Ausdruck des Göttlichen. Die Ankunft des Islams und der englischen Prüderie hat diese unbelastete Haltung stark zunichte gemacht. Bei  näherem Betrachten sieht man aber auch zahlreiche andere Darstellungen aller menschlichen Stimmungen und Szenen aus dem Leben der damaligen Zeit, wie Hochzeiten, Prozessionen mit Elefanten, Pferden und Soldaten, Jagd- und Kriegsszenen. Man kann auch Skulpturen verschiedenster Hindugötter, insbesondere von Shiva, Ganesh und Vishnu bewundern. 
Die berühmteste Tempelgruppe ist die Western Group mit 6 besonders sehenswerten Tempeln:




nicht ganz jugendfrei!
 Der tanzende Gott Ganesh
Phallus von Gott Shiva


Ich verbrachte zwei wunderschöne Tage in Khajuraho; abends besuchte ich die Light and Sound Show bei den Tempeln – das war sehr hübsch! Am zweiten Abend wurden die Touristen durch eine farbenprächtige, abwechslungsreiche Tanzshow unterhalten. Die Tanzgruppe zeigte unterschiedliche Tänze und Kostüme aus verschiedenen Teilen Indiens; es war eine Augenweide, den schönen Menschen zuzuschauen, welche sich so anmutig bewegten!




Gestern holten mich mein Fahrer und mein Führer ab und wir fuhren nach Jhansi, wo ich am späteren Nachmittag den Zug nach Agra nahm. Unterwegs schauten wir uns in Orcha den Jahangir Mahal-Palast des mächtigen Maharadschas Bir Singh Deo an.

 

In Jhansi mussten wir fast 1 ½ Stunden auf den verspäteten Zug, der von Bhopal her kam, warten. Es drängten sich viele Leute auf dem Perron und ich war sehr froh, dass jemand von der Reiseagentur bei mir war und einen Träger anwies, meine Gepäckstücke sicher im Zugabteil zu platzieren. Man sagte mir, dass der Zug sehr modern sei, mit allem Komfort inkl. Klimaanlage und im Ticketpreis wären sogar Snacks und Getränke inbegriffen. Ich stellte mir dann so was wie einen TGV vor, aber als der Zug in den Bahnhof hineinratterte, sah ich, dass der „moderne“  Zug eher einem ausgedienten italienischen Cisalpino gleichkam. Anyway, nach 2.5 Stunden kamen wir in Agra an, man holte mich am Bahnhof ab und ich wurde ins Hotel gefahren. Ich war schon ziemlich müde, als wir um 21 Uhr dort eintrafen und freute mich schon auf den wohlverdienten Schlaf. Leider wurde nichts daraus, denn im Untergeschoss des Hotels war eine Party voll im Gange und trotz Ohropax kam ich erst um Mitternacht zu meinem Schlaf.

Heute schauten wir uns das Taj Mahal an, das Mausoleum, welches der Mogul-Herrscher Shah Jahan seiner Lieblingsfrau Mumtaz Mahal („Perle des Palastes“) zum Andenken an ihre Schönheit und ihrer gemeinsamen Liebe geweiht hatte. Mumtaz Mahal starb mit 38 Jahren an der Geburt ihres 13. Kindes! Das Mädchen aber überlebte und war ihr Leben lang die ungeliebte Tochter ihres Vaters.

Leider war das Wetter dunstig und die Wasserbecken wurden gereinigt :(



Einlegearbeiten aus Lapislazuli, Karneol, Jaspis, Jade

Hier noch einige Daten zum Taj Mahal:
37 Architekten, die besten Künstler des Landes und 20‘000 Arbeiter bauten 22 Jahre lang an diesem Grabmal, welches aus weissem Marmor und Sandstein besteht und mit ausgewählten Edelsteinen und Halbedelsteinen aus dem ganzen Orient (Lapislazuli, Karneol, Türkis, Jade, Jaspis etc.) verziert wurde.

Am Nachmittag besuchten wir das imposante Agra Fort (Rotes Fort) am Ufer des Yamuna, welches das „Wohnhaus“ des Moguls mit seinem Gefolge und seinen Haremsdamen war. 

Haremstrakt

Tempel der schönen Frauen

Heute habe ich schon ziemlich viel "orientalische Luft" geschnuppert - morgen geht es weiter Richtung Rajasthan - ich freue mich schon sehr auf den "märchenhaften" Orient....


3 Kommentare:

  1. hallo marianne...durch das gästebuch von meiner tochter sylvia bin ich auf deinen wunderschönen reisebericht gestoßen...sehr gut geschrieben, informativ und deine fotos - herrlich...da hast du ja schon viel erlebt und gesehen...das Taj Mahal...ein einziges kunstwerk


    nun liebe grüße und weiterhin gute reise mit vielen herrlichen eindrücken
    maria tiefenthaler

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  2. Liebe Maria,
    vielen herzlichen Dank für dein nettes Feedback.Es freut mich immer sehr, wenn ich über meinen Blog, die Menschen für die Schönheiten unserer Erde begeistern kann. In einem Monat wird meine Tour zu Ende sein, ich kann es noch nicht fassen, dass bereits 4 1/2 Monate vergangen sind!
    Ich wünsche dir eine gute Zeit und weiterhin viel Freude am Lesen der Blogs von Silvia und mir.
    Mit herzlichem Gruss, Marianne

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  3. hallo - hab mich sehr gefreut über die antwort...ich wünsche dir noch einen herrlichen monat und ein gutes heimkommen zur familie und viel freude mit den schönen erinnerungen der reise...

    maria t.

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